Auto der Zukunft: Warum Audi die Keynote zur ersten CES Asia halten durfte


Ich wurde von Audi zur CES Asia nach Shanghai eingeladen. Jeder, dem ich davon erzählte, fragte reflexartig: „Audi? Warum lädt dich ein Autohersteller zu einer Elektronikmesse ein, bei der es um Consumer Products geht?“. Klingt nach einer plausiblen Frage, dabei ist die Antwort sehr naheliegend: Es geht um die Zukunft des Autos.

Schon die CES 2014 in Las Vegas hatte bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Die größten und optisch schönsten Stände hatten nach meinem subjektiven Eindruck die Autohersteller. Egal ob nun Audi, Mercedes oder Toyota: Sie alle hatten große Auftritte mit eigenen Pressekonferenzen und zum Teil markigen Ankündigungen. Die erste CES in Asien war gefühlt zwar 10 Nummern kleiner, aber der Automotive-Anteil war mindestens genauso hoch.

Aber warum ist die Consumer Electronics Show für die Automobilhersteller mittlerweile beinahe ebenso wichtig wie die großen Automessen in Genf, Frankfurt oder Detroit? Die Antwort ist eigentlich ganz simpel:

„Das Auto ist das größte Mobile Device“!
„Das Auto ist das größte Mobile Device“!

Connectivity als großer Treiber der Autoentwicklung

Vernetzung ist eins der großen Themen der Autohersteller der letzten Jahre und das wird sich in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln. Dabei spielen die Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden eine wichtige Rolle, denn die wollen immer und überall kommunizieren können. Dazu muss das Auto nicht nur vernetzt sein, sondern es werden auch neue Bedienmöglichkeiten gesucht. Die Vorbilder dafür liefern die Mobile Devices von heute. Was wären Smartphones und Tablets ohne Touchbedienung und Gestensteuerung? Genau das dachte man sich wohl auch bei VW und kreierte aus diesen Überlegungen heraus den Golf R Touch. In diesem Zukunftsmodell verzichtet VW größtenteils auf Schalter und Hebel und setzt stattdessen auf drei unabhängige Displays. Wie vom Audi TT schon bekannt, fungiert ein Display als virtuelles Cockpit, mit dem die analogen Instrumente ersetzt werden. Das mit 12,8 Zoll größte Display sitzt aber in der Mittelkonsole und funktioniert genau wie ein Tablet. Hier finden Navigation und das Infotainmentsystem ihren Platz und können dank der Annäherungssensorik auch per Wischbewegung vor dem Display bedient werden.

Denkt man die Übernahme von Technologien aus dem Mobile-Device-Bereich konsequent weiter, so dürfte sich die Bedienung wichtiger Systeme künftig noch weiter in Richtung Sprachsteuerung entwickeln. Das funktioniere ja ich einigen Bereichen auch schon sehr gut, erklärte mir Audis Chefentwickler Prof. Dr. Ulrich Hackenberg in Shanghai. Allerdings stellen die Umgebungsgeräusche nach wie vor ein Problem dar, das es zu lösen gelte. Dennoch hat dieses Medienkonzept für mich einen hohen Stellenwert für die Autos der Zukunft, mehr sogar noch als für die Smartphones. Denn: Auch wenn ich mein Smartphone per Spracheingabe bedienen kann, so verzichte ich in öffentlichen Bereichen doch lieber darauf. Laut telefonierende Menschen fallen schon jetzt meist unangenehm auf und werden schief angesehen. Wer dann noch in der Öffentlichkeit mit seinem Smartphone spricht und ihm Befehle gibt…

In einem Auto befindet man sich aber in einer privaten Situation. Hier kann man in der Regel ohne Belästigung oder Verwunderung der Mitmenschen sprechen, selbst mit dem Auto. Dafür spricht auch die geringere Ablenkung von der Verkehrssituation, da beide Hände am Lenkrad bleiben können und der Blick auf die Straße gerichtet bleibt. Allerdings gibt es hier noch eine weitere Entwicklung, durch die die Aufmerksamkeit des Fahrers bald nicht mehr nötig sein könnte.

Fahrerassistenzsysteme – pilotiertes Fahren, autonomes Fahren

Es gibt noch einen weiteren Grund für die zunehmende Connectivity der Autos von morgen. Auf dem Weg zum selbstfahrenden Auto müssen die Fahrzeuge lernen mit ihrer Umwelt, der Infrastruktur, Verkehrsleitsystemen und natürlich anderen Autos zu kommunizieren. Nur wenn jedes einzelne Auto ein Teil des großen Ganzen ist und nicht etwa ein autark für sich gesteuertes System, können Visionen wie Smarter Cities mit einer intelligenten Verkehrsregelung Wirklichkeit werden.

Pilotiertes Fahren ist in bestimmten Situationen ist bereits möglich. Ich saß beispielsweise 2014 in einem Audi, der dank des eingesetzten Staupiloten auf dem Highway von Las Vegas selbstständig gefahren ist. Konkret bedeutet das, dass der Audi vom System in Längs- und Querrichtung gelenkt und zusätzlich auch die Geschwindigkeit automatisch reguliert wird. Diese Vorführung wiederholte Audi nun auch in Shanghai, was bei den dortigen Verkehrsbedingungen durchaus eine Herausforderung darstellt.

Mit diesem Audi A7 piloted driving wurde der Staupilot auf den Straßen von Shanghai getestet.
Mit diesem Audi A7 piloted driving wurde der Staupilot auf den Straßen von Shanghai getestet.

Das liegt gar nicht mal am hohen Verkehrsaufkommen, denn das ist für eine Megacity mit insgesamt 23 Millionen Einwohnern noch einigermaßen erträglich. Dafür gibt es bis zu sechs Spuren auf dem Highway, die alle mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten befahren werden. Anders als wir es von unseren Autobahnen gewohnt sind, wird in China also munter links und rechts überholt. Auch Mindestabstände beim Einfädeln scheint es nicht zu geben, dafür wird die Hupe reichlich als Achtung-ich-komme-Zeichen eingesetzt. Für mich wäre hier selbst eine kurze Fahrt Stress pur.

Der Staupilot von Audi setzt genau hier an. Über die zahlreichen Informationen der Sensorik (Ultraschall, Laserscanner, Radar, Kameras, Navigation) erkennt das System die Fahrsituation und bietet dem Fahrer in Verkehrsverhältnissen bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h die komplette Übernahme der Steuerung an. Im Verkehrschaos von Shanghai mussten die Audifahrer zwar immer wieder mal leicht eingreifen, aber genau aus diesem Grund testet Audi das System unter den lokalen Bedingungen in China. Übrigens hat Audi auch ein eigenes Entwicklungscenter in Beijing eröffnet, um die verschiedenen Modelle auf den asiatischen Markt anzupassen.

Wie sieht die Zukunft des Autos aus?

Dass das pilotierte Fahren nur der Anfang ist, dürfte jedem Autokenner klar sein. Natürlich arbeiten auch andere Autohersteller an solchen Systemen. Mercedes hatte bereits Anfang 2015 auf der CES in Las Vegas mit der Konzeptstudie F015 ein selbstfahrendes Auto vorgestellt.

Der Mercedes F015 auf der CES Asia in Shanghai.
Der Mercedes F015 auf der CES Asia in Shanghai.

Auch Google arbeitet bekanntlich an autonom fahrenden Autos. Doch bis ein Auto wirklich vollständig und jederzeit auf einen Fahrer verzichten kann, werden noch viele Jahre vergehen. Bis dahin müssen noch viele Probleme gelöst werden, die weniger in technischen als in gesellschaftlichen Anforderungen zu sehen sind. Wollen wir tatsächlich, dass unsere Straßen von autonom fahrenden Fahrzeugen befahren werden? Wer haftet, wenn es einen Unfall geben sollte: der Fahrer, der Hersteller, der Programmierer? Wer übernimmt die Kosten für die Aufrüstung der Infrastruktur?

In meiner persönlichen, zugegebenermaßen fernen Vision der Smarter City fahren nicht nur alle Autos vollkommen selbstständig, es gibt auch keine Ampeln mehr. Alle Fahrzeuge sind über ein zentrales Verkehrssystem miteinander vernetzt und das System kennt alle Ziele der aktuell auf den Straßen fahrenden Autos. Somit bekommt jedes Auto eine Route und eine Geschwindigkeit zugewiesen, mit der es ohne Stopps zum Ziel kommt. Das System arbeitet in Echtzeit und kann bestimmte Verkehrsteilnehmer adhoc priorisieren, so dass Rettungswagen mit einer maximalen Geschwindigkeit zum Einsatzort kommen. Verkehrsunfälle gibt es in dieser Vision dann allerdings nicht mehr.

Für Megacities wie Shanghai wären solche Verhältnisse sicher wünschenswert. Noch wichtiger wären selbstfahrende Autos aber für Metropolen, die heute schon täglich einen Verkehrskollaps erleiden, wie beispielsweise London zur Rushhour.

Ob es dann in ferner Zukunft überhaupt noch Autobesitzer im klassischen Sinne geben wird (oder muss), bleibt abzuwarten. Schon heute stellen sich hier aber Fragen. über die wir uns noch nicht ausreichend Gedanken gemacht haben. Die für den Einsatz der umfangreichen Sensorik notwendige Software wird beispielsweise immer wichtiger. Sie wird zum Herzstück der Autos und ihre Entwicklung/Programmierung kostet viel Geld. Beim Kauf eines Autos Erwirbt man aber lediglich das physikalische Material, für die Software schließt man einen Lizenzvertrag ab. Das hat Auswirkungen auf den Weiterverkauf oder auch die Wartung, wie Don Dahlmann drüben bei Mobile Geeks sehr schön aufzeigt.

Es gibt aber auch noch eine Reihe von ethischen Fragestellungen, die für eine Zukunft mit selbstfahrenden Autos diskutiert werden müssen. Ich schreibe hier bewusst „diskutiert“ und nicht „gelöst“, denn es gibt nicht für jede theoretische Fragestellung eine befriedigende Antwort. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Trolley-Problem. Kurz gesagt geht es dabei um die Frage, welche Wahl getroffen wird, wenn ein drohender Unfall mit fünf Toten so beeinflusst werden kann, dass ein alternativer Unfall geschieht, bei dem es nur einen Todesfall gibt. Ist es okay einen Menschen zu töten, damit die anderen fünf Menschen überleben? Wie entscheidet in solchen Fällen ein selbstfahrendes Auto? Und können wir als Gesellschaft mit dem Resultat leben? Ich möchte hier gar nicht weiter in die Diskussion einsteigen und verweise lieber auf den spannenden Beitrag von Tanay Jaipuria bei Medium (bitte auch die Kommentare lesen!).

Fazit: Pilotiertes Fahren ist Gegenwart, autonomes Fahren Zukunftsmusik

Ja, es gibt bereits intelligente Systeme, die in bestimmten Situationen ein Auto komplett übernehmen können. Die technischen Entwickler aus dem Team von Audis Chefentwickler Prof. Dr. Ulrich Hackenberg relativierten allerdings bei einem Roundtable abseits des CES-Trubels die Hoffnungen, man könne den Staupiloten einfach hochskalierten und für höhere Geschwindigkeiten freigeben. Momentan ist das System so ausgelegt, dass bei 60 km/h Schluss ist und der Fahrer bei höheren Geschwindigkeiten die Steuerung wieder übernehmen muss. In Serie soll der Staupilot dann 2017 gehen. Interessant war Hackenbergs Antwort auf die Frage nach der Zukunftsvision des Autos in 30 Jahren. Technisch sei überhaupt nicht abzusehen, was bis dahin möglich ist, aber er geht davon aus, dass wir uns dann keine Gedanken mehr über die Emissionen der Autos machen müssen. Ein Zero-Emission-Auto würde sicher viele Probleme beseitigen, egal, ob wir es noch steuern oder nicht.

Bis wir ein Serienfahrzeug mit der Fähigkeit zum Selbstfahren bei allen Geschwindigkeiten sehen werden, dürften also noch ein paar Jahre vergehen. Aber selbst das ist dann lediglich ein Zwischenschritt zum autonomen Fahren, denn das pilotierte Fahren ist derzeit nur eine Option. Autos, die vollkommen autark fahren, sind also noch Zukunftsmusik – auch wenn man schon leise die erste Töne einer Melodie hören kann…

Meine persönlichen Eindrücke aus Shanghai mit reichlich Bildern findet ihr hier:

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