Ich komme gerade aus China wieder und bringe jede Menge Impressionen aus der Mega-City Shanghai mit. Keine andere Stadt hat mich bisher so nachdrücklich beeindruckt, wie die bedeutendste Industriestadt des bevölkerungsreichsten Staates der Welt. Vieles wirkt auf Hochglanz poliert, doch schaut man etwas genauer hin, entdeckt man schnell die Schattenseiten.
Shanghai: Mega-City der Widersprüche
So ganz verarbeitet habe ich meinen kurzen Trip nach Shanghai natürlich noch nicht, das wird sicher noch etwas dauern. Beim Sortieren der vielen Fotos, die ich in der 23-Mio-Einwohner-Mega-City gemacht habe, fielen mir aber einige Szenen auf, die meinen Gesamteindruck recht gut widerspiegeln: Das wirtschaftliche Aufstreben sorgt für architektonische Glanzlichter, die aber im direkten Widerspruch zum Lebensalltag der breiten Bevölkerungsmasse stehen.
Es gibt mit den ehemaligen ausländischen Konzessionen Großbritanniens und Frankreichs sowie mit der Freihandelszone Pudong einige besser situierte Stadtbereiche, doch abseits davon dominieren Massenunterkünfte und sehr spartanische Suburbs. Dabei könnte Shanghai heute viel besser dastehen, denn wirtschaftlich entwickelt sich die geografisch entlang mehrerer wichtiger Handelsstraßen gelegene Metropole schon seit 1900 prächtig. Doch politisch wurde Shanghai klein gehalten und die wirtschaftlichen Erfolge wurden lange Zeit von der Zentralregierung abgeschöpft.
Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich das geändert. Shanghai wurde politisch zum Innovationsmittelpunkt von China erhoben, was vor allem ausländische Investoren anzog. 1990 wurde zusätzlich das heutige Prunkviertel Pudong als Sonderwirtschaftszone eingerichtet. Hier stehen heute sehr eindrucksvolle Wolkenkratzer, die vor allem abends eine besondere Wirkung entfalten. Einige davon wie das World Financial Center, das übrigens wie ein gigantischer Flaschenöffner aussieht, kann man auch abends besuchen und beispielsweise in der Bar des Park Hyatt Hotels in der 87. Etage einen Drink nehmen. Die Getränke sind nicht eben günstig, aber dafür ist der kostenlose Blick unbezahlbar.
Und überhaupt hat Shanghai by Night seinen ganz besonderen Charme. Überall erstrahlen die Skyscraper in bunten Lichtern und lassen die Widersprüche in der Dunkelheit zurück.
Wenn man das Glück hat, einen der seltenen klaren und sonnigen Tage mit blauem Himmel zu erleben, dann sollte man ihn gut nutzen. An den meisten Tagen ist der Himmel von Shanghai unter einer dicken Dunstschicht versteckt. Im Mai klettert das Thermometer dann trotzdem auf 25 bis 30 Grad, aber durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist das eher nicht so angenehm. Gut aushalten lässt es sich allerdings an der Prunkpromenade „The Bund“, die für die Expo 2010 komplett neu gestaltet wurde. Auf der einen Seite befinden sich die Skyscraper und auf der Seite der Uferpromenade stehen viele alte Gebäude der ehemaligen europäischen Kolonialstaaten.
Wer etwas Zeit hat und in direkten Kontakt mit den Einwohnern von Shanghai treten möchte, dem sei ein Besuch im Art District empfohlen. Auf dem Gelände einer ehemaligen Textilfabrik haben sich nach deren Schließung in den letzten 15 Jahren mehr und mehr Künstler niedergelassen, die dort ihre Erzeugnisse anbieten. Dazu gesellen sich heute auch reichlich Händler aus den Bereichen Food, Gastro, Kleingewerbe und Tinnef jeglicher Art. Günstig ist es hier sicher nicht, aber man kann sehr gut handeln. Dazu ist unbedingt Bargeld notwendig, denn Kreditkarten oder andere bargeldlose Zahlungsmethoden werden hier nicht akzeptiert. Dafür sprechen die Ladenbesitzer hier zum Teil ganz passabel Englisch, was in Shanghai ansonsten nicht die Regel ist. Das sollte man vor allem bei Taxifahrten wissen, für die man übrigens ebenfalls Yuan benötigt.
A apropos Straßenverkehr: Der ist hier je nach Stadtviertel sehr unterschiedlich. Während es im Zentrum von Pudong rund um den Fluss schon ein extrem hohes Verkehrsaufkommen geben kann, geht es weiter ausserhalb erstaunlich gut für eine solch gigantische Mega-City. Aber das war jetzt nur mein Eindruck. Wundern sollte man sich übrigens nicht über das permanente Hupkonzert der Shanghaier. Sie hupen eher um andere Verkehrsteilnehmer auf einen Spurwechsel aufmerksam zu machen, statt sich über irgendetwas zu beschweren. Und da die Spurwechsel auf den vielen mehrspurigen Straßen keinen Regeln zu folgen scheinen, sind sie entsprechend häufig. Warum es dabei zu keinen Unfällen kommt, zumindest habe ich keinen gesehen, kann ich mir kaum erklären.
Fazit: Vergesst eure Kamera nicht, Shanghai bietet vielfältige Motive
Ich habe insgesamt etwa 1.200 Fotos gemacht, mit meiner Canon und mit dem iPhone. Bei all den interessanten Motiven muss man sich zwischendurch einfach mal bewusst zurücknehmen und Szenen beobachten – ohne Kamera vor dem Auge. Shanghai ist ein echtes Erlebnis, wenn man sich etwas auf die Kultur einlässt und einstellt. Etwas schwierig ist es mit dem Teilen von Eindrücken per Social Media. Mit Daten-Roaming und dem richtigen Provider kann man zwar Facebook und Twitter nutzen, doch von unserer Gruppe hatten die meisten große Probleme über VPN-Apps Zugriff zu erhalten. Auch aus dem Hotel ging da nichts, so dass ich einige Tagespässe verbraucht habe.
Warum ich überhaupt in Shanghai gewesen bin? Ich war auf der ersten CES Asia. Aber davon berichte ich dann im nächsten Blogpost…
Update: Hier geht es zum versprochenen Blogbeitrag zum Auto der Zukunft…
3 Antworten zu “Eindrücke aus Shanghai: China zwischen Schein und Sein”
Atemberaubende Bilder. Finde ich toll wie du hier über China berichtest. Ich wollte schon immer mal dorthin, aber irgendwie macht mir diese „neue“, riesige Welt Angst. Man hört ja nicht nur Gutes aus Fernost. Wie hast du den Umgang mit Menschenrechten empfunden? Oder bekommt man als Besucher davon eher weniger mit?
Freut mich, dass Dir mein Beitrag gefällt Sandra 🙂
Einen echten Kontakt zu den Menschen jenseits der Touristenorte habe ich nicht gehabt, dafür hätte die Zeit auch nicht gereicht. Vermutlich wäre das aber auch sprachlich sehr schwierig geworden, denn Englischkenntnisse sind dort eher selten.
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