Facebook am Scheideweg: Warum der Börsengang nicht die Rettung ist


Heute geht Facebook also an die Börse, endlich sagen viele, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Die einen hoffen selbst profitieren zu können und die anderen sehen darin nicht weniger als den Anfang vom Untergang. Eines ist auf jeden Fall sicher: Facebook verliert heute seine Unschuld und wird sich künftig für Fehler und Geschäftszahlen verantworten müssen.

Facebook bekommt durch den Börsengang eine neue Sichtbarkeit

Der Aufstieg von Facebook in den letzten Jahren vom kleinen Underdog aus dem amerikanischen Universitätsmilieu, zum global agierenden Marktführer der Social Networks, ist ohne Frage eine gigantische Erfolgsgeschichte. Über 900 Millionen Nutzer hat das Netzwerk von Mark Zuckerberg angesammelt, das eigentlich nur die Studenten der amerikanischen Universitäten miteinander verknüpfen sollte. Wie wir alle wissen, blieb es nicht dabei. Wer heute einen Zugang zum Internet hat, wird an der Präsenz von Facebook kaum vorbeikommen und hat oft auch selbst ein Profil.

Mark Zuckerberg stehen spannende Monate bevor (Bild: Andrew Feinberg bei Flickr).

Schaut man sich die Erfolgsmeldungen von Facebook der letzten Jahre an, so beschränken sich die Positiv-Schlagzeilen sehr oft allein auf den Faktor Nutzerzahlen. Das ist an sich schon ein Phänomen für sich, denn in anderen Branchen werden Erfolge eher an harten Geschäftszahlen festgemacht. Umsatz und Gewinn zählen bei Autoherstellern, Pharmaindustrie oder Telekommunikationsunternehmen sehr viel mehr als aktive Autofahrer einer Marke, Patienten, die ein bestimmtes Medikament einnehmen oder die Zahl der Festnetzkunden. Bei Facebook hingegen wurde immer nur auf die Zahl der aktiven Nutzer geschaut, doch das wird sich mit dem Börsengang ändern – es hat sich sogar schon verändert.

Als Facebook endgültig den Weg an die New Yorker Börse vorbereitete, musste man auch tiefe Einblicke in die zuvor streng gehüteten Geschäftszahlen zulassen. Im Börsenprospekt wurden neben den Nutzerzahlen auch die Umsätze und Gewinne der letzten Jahre bekannt gegeben. Die waren nicht so rosig, wie viele gehofft haben und zuletzt sorgten schwächere Zahlen sogar für ein erstes Krisengerede. Auch wenn das aus meiner Sicht noch reichlich konstruiert wirkte, könnte Facebook mittelfristig tatsächlich in eine ernsthafte Krise geraten. Das liegt aber nicht an den vorgelegten Zahlen, sondern am Geschäftsmodell und dem durch den Börsengang steigenden Erfolgsdruck. Macht Facebook nicht immer mehr Umsatz und Gewinn, werden die Börsianer unruhig und könnten die Facebook-Aktie nachhaltig nach unten reißen. Und mehr Umsatz und Gewinn macht Facebook nur dann, wenn das Nutzerwachstum unvermindert anhält oder Facebook noch mehr Werbung in den sichtbaren Bereich platziert.

Haupteinnahmequelle ist die Achillesferse

Etwa 85 Prozent der Einnahmen erzielt Facebook aus der Onlinewerbung – ein bedrohlich hoher Anteil, bedenkt man, dass Werbung nicht gerade zu den beliebtesten Inhalten im Web gehört. Bislang schien das aber kein Problem zu sein, denn es standen ja die stetig steigenden Nutzerzahlen im Rampenlicht und mit denen stiegen auch die Werbeeinnahmen. Eine auf sieben Milliarden Bewohner angestiegene Erdbevölkerung lässt bei 900 Millionen Facebook-Nutzern noch reichlich Steigerungspotenzial vermuten. Und in der Tat gibt es vor allem in den höheren Altersklassen noch großen Aufholbedarf. Das größte Potenzial liegt aber noch für Jahre brach, denn in vielen bevölkerungsstarken Ländern, beispielsweise auf dem afrikanischen Kontinent, gehört die Internetversorgung nach wie vor nicht zu den priorisierten Problembereichen. Und wenn in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Versorgung mit Internet vorangetrieben wird, dann handelt es sich sehr oft um mobiles Internet.

Für Facebook bedeutet das nach derzeitigem Stand nichts Gutes. Der mit 1,21 US-Dollar jetzt schon sehr geringe durchschnittliche Umsatz pro Nutzer dürfte mit dem „Mobile Shift“ noch weiter sinken, denn momentan gibt es über die mobilen Anwendungen keine Werbung bei Facebook zu sehen. Für Carsten Frien, Mitgründer des mobilen Werbenetzwerkes madvertise, versteckt sich gerade in der mobilen Werbung eine große Chance für Facebook, denn beim mobilen Werben seien die Klickraten sehr viel höher.

Wirkliche Beweise durch unabhängige Studien sind mir derzeit allerdings nicht bekannt. Ein Vergleich dürfte auch deshalb schwierig sein, weil der mobile Erfolg auch maßgeblich von der Qualität der jeweiligen App abhängt – ein Punkt, bei dem Facebook bekanntlich noch einige Arbeit vor sich hat. Immerhin hat Facebook den Bedarf an dieser Stelle scheinbar erkannt. Mit dem Kauf von Instagram hat man sich nicht nur die Technologie zur einfachen Bildbearbeitung eingekauft, sondern auch ein Entwicklerteam, das seine Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt hat. Bis die Facebook-Apps aber so gut sind, dass sie auch für die Schaltung von Werbung ausreichen, wird wohl noch einige Zeit vergehen – Zeit, in der Facebook auf dem weiter wachsenden Mobilmarkt keinen Werbecent verdienen wird.

Wir werden im nächsten Jahr weitere Werbeformate bei Facebook sehen

Meine Prognose für die Zukunft der nächsten Monate sieht daher zunächst eine Ausweitung der Werbeformate auf der Web-Plattform vor. Dabei wird Facebook noch mehr als jetzt schon darauf achten, dass die Werbekunden ihre Botschaften möglichst gezielt versenden können. Das Stichwort heißt hier „personalisierte Werbung“, und zwar gleich mehrfach. Zum einen werden immer mehr Daten der Nutzer ausgewertet, um die Grundlage der Zielgruppenselektion zu verbessern. Auf der anderen Seite wird Werbung noch deutlicher in den sozialen Kontext eingebettet.

„Dein Freund xyz findet die Marke ABC toll“ wird man dann immer wieder im Newsstream zu sehen bekommen und ähnliche Dinge mehr. Das mag zwar hier und da auch funktionieren, doch an der ablehnenden Haltung zu Werbung bei der großen Mehrheit der Nutzer wird das auch nichts ändern. Mit General Motors hat in dieser Woche bereits ein nahmhafter Werbekunde seinen Abschied von Facebook bekanntgegeben. Der Grund: es hat einfach nichts eingebracht!

Fazit: Facebook ist schon auf dem Zenit

Das Nutzerwachstum ist endlich und Werbung wird nie ein Freund der Massen werden. Mit diesem einen Satz ist das Dilemma von Facebook schon gut umschrieben. Da hilft das Kapital aus dem Börsengang auch nur bedingt, denn das äußerst dünne Geschäftsmodell lässt sich mit den Milliarden aus den Aktienverkäufen nicht festigen. Im schlimmsten Fall wird Facebook eines Tages von innen heraus kollabieren und sich nur noch selbst abschalten können. Die Nutzer werden dann zur nächsten Plattform weiterziehen als wäre nichts gewesen. Ein unrealistisches Horrorszenario? Vielleicht! Vielleicht aber auch nicht…

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6 Antworten zu “Facebook am Scheideweg: Warum der Börsengang nicht die Rettung ist”

  1. Vielen Dank für diesen interessanten Artikel, der das Thema von so vielen Seiten beleuchtet. Facebook ist inzwischen ein wahrer Internetgigant und ich glaube nicht, dass wir es so bald wieder loswerden, auch wenn der Aktienkurs nicht zum Überflieger wird. Facebook hat sich allein über Facebook Connect schon tief mit dem restlichen Web verwoben und die Nutzerzahlen sowie die Nutzungsdauer sind sehr beeindruckend. Insofern wäre mein Tipp, dass uns Facebook wie so manche andere ungeliebte Dinge erhalten bleibt, einfach weil viele Leute gar kein Interesse an einer besseren Alternative haben. Die Seite ist vollgestopft mit schlecht platzierter Reklame und Facebook hat sich schon so enorme Patzer in Sachen Privatsphäre geleistet und trotzdem ist die große Abwanderungswelle beispielsweise in Richtung Google+ ausgeblieben – sogar bei den Internetnutzern, die es besser wissen könnten. Insofern denke ich, dass es da den YouTube- oder Windows-Effekt gibt: Das kennen die meisten, das nutzen alle, also hat die Konkurrenz keine Chance, ernsthaft Marktanteile abzugraben. Denn zwar kann Vimeo auch überleben und Apple verkauft so viele Macs wie nie zuvor. Aber die Vormachtsstellung von YouTube oder Windows hat das jeweils nicht gefährdet.

    Bei einem Punkt aber sehe ich ebenso wie du einen Knackpunkt: das mobile Web inklusive Apps. Facebook hat nicht ohne Grund Instagram gekauft. Und ich denke, solche und ähnliche Aufkäufe werden wir jetzt häufiger sehen. Die mobile Nutzung ist ein vollkommen anderes Paar Schuhe und noch sehe ich nicht, dass Facebook da eine ähnliche Position hat wie im stationären Web.

  2. Ein interssanter Bericht und schön zu sehen, dass andere auch die Dinge aus der gleichen Sicht betrachten. Dennoch, ich bin sehr neugierig und gespannt, was sich in Zukunft im Hinblick auf die Börse sowie der weiteren Entwicklung seitens Facebook tut oder ob es tatsächlich irgend wann zu einem Zusammenbruchen dieses sozialen Netzwerkes kommt.

  3. Ich teile deine Meinung, bin mir aber ebenso sicher, dass auch Facebook sich dieser Probleme bewusst ist. Welch eindrucksvolle Ergebnisse durch kleine Veränderungen aufgrund der schieren Masse an Nutzern möglich ist, zeigt zum Beispiel dieser vor einigen Tagen auf AllFacebook erschienene Artikel: http://allfacebook.com/webtrends-infographic-newsfeed-ads_b88958 Nur eine Werbeanzeige im Newsfeed pro Tag und Nutzer führen (in der Theorie) zu Einnahmen in Höhe von 3,6 Millarden US-Dollar.

    Klar, auch das ist wieder Werbung, alternative Einnahmequellen wären von Vorteil. Das Beispiel zeigt in meinen Augen dennoch wie stark sich sehr kleine Veränderungen aufgrund der hohen Nutzerzahlen finanziell auswirken können.

  4. Es wird in den Medien gerne zwischen einer Unternehmensbewertung (kann Facebook was, wo verdient das Unternehmen Geld, wie sind die Zukunftsaussichten) und der kurzfristigen Spekulation vermischt.

    Derjenige der spekuliert, der will seine Aktien für 38$ erhalten und für mehr verkaufen: Das wird heute Nachmittag schon so sein.
    http://www.start-trading.de/blog/2012/05/17/facebook-kurzfristige-gewinne-moeglich/

    Danach ist erst mal Schluss mit Facebook. Ob fair bewertet oder nicht, spielt dann gar keine Rolle mehr.

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