Heute geht Facebook also an die Börse, endlich sagen viele, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Die einen hoffen selbst profitieren zu können und die anderen sehen darin nicht weniger als den Anfang vom Untergang. Eines ist auf jeden Fall sicher: Facebook verliert heute seine Unschuld und wird sich künftig für Fehler und Geschäftszahlen verantworten müssen.
Facebook bekommt durch den Börsengang eine neue Sichtbarkeit
Der Aufstieg von Facebook in den letzten Jahren vom kleinen Underdog aus dem amerikanischen Universitätsmilieu, zum global agierenden Marktführer der Social Networks, ist ohne Frage eine gigantische Erfolgsgeschichte. Über 900 Millionen Nutzer hat das Netzwerk von Mark Zuckerberg angesammelt, das eigentlich nur die Studenten der amerikanischen Universitäten miteinander verknüpfen sollte. Wie wir alle wissen, blieb es nicht dabei. Wer heute einen Zugang zum Internet hat, wird an der Präsenz von Facebook kaum vorbeikommen und hat oft auch selbst ein Profil.
Schaut man sich die Erfolgsmeldungen von Facebook der letzten Jahre an, so beschränken sich die Positiv-Schlagzeilen sehr oft allein auf den Faktor Nutzerzahlen. Das ist an sich schon ein Phänomen für sich, denn in anderen Branchen werden Erfolge eher an harten Geschäftszahlen festgemacht. Umsatz und Gewinn zählen bei Autoherstellern, Pharmaindustrie oder Telekommunikationsunternehmen sehr viel mehr als aktive Autofahrer einer Marke, Patienten, die ein bestimmtes Medikament einnehmen oder die Zahl der Festnetzkunden. Bei Facebook hingegen wurde immer nur auf die Zahl der aktiven Nutzer geschaut, doch das wird sich mit dem Börsengang ändern – es hat sich sogar schon verändert.
Als Facebook endgültig den Weg an die New Yorker Börse vorbereitete, musste man auch tiefe Einblicke in die zuvor streng gehüteten Geschäftszahlen zulassen. Im Börsenprospekt wurden neben den Nutzerzahlen auch die Umsätze und Gewinne der letzten Jahre bekannt gegeben. Die waren nicht so rosig, wie viele gehofft haben und zuletzt sorgten schwächere Zahlen sogar für ein erstes Krisengerede. Auch wenn das aus meiner Sicht noch reichlich konstruiert wirkte, könnte Facebook mittelfristig tatsächlich in eine ernsthafte Krise geraten. Das liegt aber nicht an den vorgelegten Zahlen, sondern am Geschäftsmodell und dem durch den Börsengang steigenden Erfolgsdruck. Macht Facebook nicht immer mehr Umsatz und Gewinn, werden die Börsianer unruhig und könnten die Facebook-Aktie nachhaltig nach unten reißen. Und mehr Umsatz und Gewinn macht Facebook nur dann, wenn das Nutzerwachstum unvermindert anhält oder Facebook noch mehr Werbung in den sichtbaren Bereich platziert.
Haupteinnahmequelle ist die Achillesferse
Etwa 85 Prozent der Einnahmen erzielt Facebook aus der Onlinewerbung – ein bedrohlich hoher Anteil, bedenkt man, dass Werbung nicht gerade zu den beliebtesten Inhalten im Web gehört. Bislang schien das aber kein Problem zu sein, denn es standen ja die stetig steigenden Nutzerzahlen im Rampenlicht und mit denen stiegen auch die Werbeeinnahmen. Eine auf sieben Milliarden Bewohner angestiegene Erdbevölkerung lässt bei 900 Millionen Facebook-Nutzern noch reichlich Steigerungspotenzial vermuten. Und in der Tat gibt es vor allem in den höheren Altersklassen noch großen Aufholbedarf. Das größte Potenzial liegt aber noch für Jahre brach, denn in vielen bevölkerungsstarken Ländern, beispielsweise auf dem afrikanischen Kontinent, gehört die Internetversorgung nach wie vor nicht zu den priorisierten Problembereichen. Und wenn in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Versorgung mit Internet vorangetrieben wird, dann handelt es sich sehr oft um mobiles Internet.
Für Facebook bedeutet das nach derzeitigem Stand nichts Gutes. Der mit 1,21 US-Dollar jetzt schon sehr geringe durchschnittliche Umsatz pro Nutzer dürfte mit dem „Mobile Shift“ noch weiter sinken, denn momentan gibt es über die mobilen Anwendungen keine Werbung bei Facebook zu sehen. Für Carsten Frien, Mitgründer des mobilen Werbenetzwerkes madvertise, versteckt sich gerade in der mobilen Werbung eine große Chance für Facebook, denn beim mobilen Werben seien die Klickraten sehr viel höher.
Wirkliche Beweise durch unabhängige Studien sind mir derzeit allerdings nicht bekannt. Ein Vergleich dürfte auch deshalb schwierig sein, weil der mobile Erfolg auch maßgeblich von der Qualität der jeweiligen App abhängt – ein Punkt, bei dem Facebook bekanntlich noch einige Arbeit vor sich hat. Immerhin hat Facebook den Bedarf an dieser Stelle scheinbar erkannt. Mit dem Kauf von Instagram hat man sich nicht nur die Technologie zur einfachen Bildbearbeitung eingekauft, sondern auch ein Entwicklerteam, das seine Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt hat. Bis die Facebook-Apps aber so gut sind, dass sie auch für die Schaltung von Werbung ausreichen, wird wohl noch einige Zeit vergehen – Zeit, in der Facebook auf dem weiter wachsenden Mobilmarkt keinen Werbecent verdienen wird.
Wir werden im nächsten Jahr weitere Werbeformate bei Facebook sehen
Meine Prognose für die Zukunft der nächsten Monate sieht daher zunächst eine Ausweitung der Werbeformate auf der Web-Plattform vor. Dabei wird Facebook noch mehr als jetzt schon darauf achten, dass die Werbekunden ihre Botschaften möglichst gezielt versenden können. Das Stichwort heißt hier „personalisierte Werbung“, und zwar gleich mehrfach. Zum einen werden immer mehr Daten der Nutzer ausgewertet, um die Grundlage der Zielgruppenselektion zu verbessern. Auf der anderen Seite wird Werbung noch deutlicher in den sozialen Kontext eingebettet.
„Dein Freund xyz findet die Marke ABC toll“ wird man dann immer wieder im Newsstream zu sehen bekommen und ähnliche Dinge mehr. Das mag zwar hier und da auch funktionieren, doch an der ablehnenden Haltung zu Werbung bei der großen Mehrheit der Nutzer wird das auch nichts ändern. Mit General Motors hat in dieser Woche bereits ein nahmhafter Werbekunde seinen Abschied von Facebook bekanntgegeben. Der Grund: es hat einfach nichts eingebracht!
Fazit: Facebook ist schon auf dem Zenit
Das Nutzerwachstum ist endlich und Werbung wird nie ein Freund der Massen werden. Mit diesem einen Satz ist das Dilemma von Facebook schon gut umschrieben. Da hilft das Kapital aus dem Börsengang auch nur bedingt, denn das äußerst dünne Geschäftsmodell lässt sich mit den Milliarden aus den Aktienverkäufen nicht festigen. Im schlimmsten Fall wird Facebook eines Tages von innen heraus kollabieren und sich nur noch selbst abschalten können. Die Nutzer werden dann zur nächsten Plattform weiterziehen als wäre nichts gewesen. Ein unrealistisches Horrorszenario? Vielleicht! Vielleicht aber auch nicht…
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